Landgericht schlägt im Rechtsstreit mit Jens Windel Mediation vor

Am 8. November 2024 fand um 11 Uhr eine Verhandlung vor dem Landgericht Hildesheim statt, die bundesweit für Aufmerksamkeit sorgt. Jens Windel verklagt das Bistum wegen sexuellen Missbrauchs auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 400.000 Euro plus Zinsen. Das Gericht geht davon aus, dass Verjährung eingetreten ist und hat eine Mediation vorgeschlagen. Beide Parteien sind dazu bereit.

Der Betroffene Jens Windel ist nach eigener Aussage als Kind Mitte der 1980er-Jahre von einem Priester über zwei Jahre hinweg wiederholt sexuell schwer missbraucht worden. In seiner Klage verlangt Windel auch, dass die Diözese sämtliche zukünftigen materiellen Schäden wie Behandlungskosten, Verdienstausfall und Rentenverringerungen zu ersetzen habe.

Im Jahr 2022 hatte er durch die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) bereits insgesamt 50.000 Euro zuerkannt bekommen. Windels Vorschlag einer außergerichtlichen Einigung lehnte das Bistum ab.

Über den Verhandlungstag informiert die Justiziarin des Bistums, Bettina Syldatk-Kern, im Interview.

Frau Syldatk-Kern, wer war vor Gericht anwesend? 

Für das Bistum waren der Rechtsanwalt Herr Weisbrod und ich als Justiziarin anwesend. Hinzu kommen der Kläger Jens Windel mit seinem Rechtsanwalt Herrn Roßmüller sowie zwei weiteren Anwälten. 

Können Sie uns einen Überblick über den Verlauf der heutigen Verhandlung geben? 

Der Vorsitzende Richter hat den Sachverhalt sehr ausführlich dargestellt und die Positionen der beiden Parteien referiert. Dann hat er detailliert erläutert, warum die Kammer davon ausgeht, dass die Ansprüche von Herrn Windel verjährt sind.  

Wie kam die Kammer zu dieser Ansicht? 

Das wurde in mehreren Stufen geprüft. Die Kernaussage war, dass ab dem vermeintlichen Tatzeitpunkt eine Verjährungsfrist von drei Jahren galt; die Höchstfrist betrug 30 Jahre. Im Folgenden hat das Gericht sich Gedanken darüber gemacht, ob sich an dem Eintritt der Verjährung etwas ändert, zum Beispiel durch Hemmung, wenn man miteinander verhandelt, oder auch durch Neuschaffung von Vorschriften. Außerdem hat das Gericht intensiv geprüft, ob es treuwidrig ist, wenn man sich auf die Verjährung beruft. Im Grunde wurden alle geprüften Punkte zu Gunsten des Bistums gewertet und eindeutig gesagt, dass die Verjährung eintritt. 

Hat Sie diese Aussage überrascht? 

Nein, es hat mich nicht überrascht: Das war unsere Rechtsposition, die wir im Vorfeld gut durchdacht hatten. 

Die Verhandlung wurde für 18 Minuten unterbrochen. Was haben Sie in dieser Zeit beraten?  

Wir haben den Vorschlag des Gerichts, ein Mediationsverfahren durchzuführen, diskutiert. Dazu haben wir mit dem Bischof und dem Generalvikar telefoniert und um ihre Einschätzung gebeten. In dem Gespräch haben wir deutlich gemacht, dass wir uns nicht auf ein Gütegerichtverfahren einlassen müssen, da die Rechtslage vom Gericht ja eindeutig beurteilt wurde. Gleichwohl wollen wir Gesprächsbereitschaft signalisieren, um eine Einigung zu finden. 

Welche nächsten Schritte sind nach dieser Verhandlung zu erwarten? Wie geht es jetzt weiter? 

Als nächstes werden sowohl Herr Windel mit Rechtsbeistand sowie das Bistum Hildesheim mit Herrn Weisbrod von einem Güte-Richter zu dem Mediationsverfahren eingeladen. Üblicherweise geht das sehr schnell, innerhalb der nächsten Wochen könnte es schon zu einer Terminabfrage kommen. Ich vermute, dass ein einziger Termin ausreicht, um sich in einem geschützten Raum und trotzdem vor Gericht gemeinsam zu verständigen. Wenn uns das nicht gelingt, wird das Verfahren vor dem Landgericht fortgesetzt. 

Die heutige Verhandlung wurde bundesweit mit Spannung beobachtet.

Ja, zahlreiche Medienvertreter waren vor Gericht. 25 Zuschauerinnen und Zuschauer konnten im Saal die Verhandlung verfolgen, etliche mussten draußen warten. Die Verhandlung wird heute sicher viel mediale Aufmerksamkeit bekommen. 

(Das Gespräch führten Jule Gaube und Cornelia Hanne, Interne Kommunikation.)