„Hängemattenbischof“ auf dem Domhof
Protestaktion gegen Aufklärung von Missbrauchsfällen durch die Kirche
Am Mittwoch erhielt der Domhof den Besuch eines mittlerweile deutschlandweit bekannten Kunstobjekts: eine mobile Großplastik des Wagenbaukünstlers Jacques Tilly namens „Hängemattenbischof".
Das Kunstwerk aus Pappmaschee war erstmals 2019 im Düsseldorfer Rosenmontagszug zu sehen. Es zeigt einen schlafenden Bischof in einer Hängematte, die an zwei verbogenen Kreuzen befestigt ist, die zusammenzubrechen drohen. Auf der Hängematte ist zu lesen: „14 Jahre schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle“. Die Aktion soll kritisieren, dass die katholische Kirche jahrelang die Aufklärung von Missbrauchsfällen verschlafen hat. Der Künstler David Farago von der Giordano-Bruno-Stiftung hat die Plastik am Mittwochvormittag vor dem Dom platziert.
Das Bistum Hildesheim weist darauf hin, dass in den vergangenen Jahren mit erheblichem Aufwand und großem Nachdruck an der Prävention und Aufarbeitung gearbeitet und nachhaltige, strukturelle Maßnahmen umgesetzt wurden. Hierzu gehört die Einrichtung der Stabsabteilung „Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt“, die mit der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim, dem Betroffenenrat Nord und der unabhängigen Aufarbeitungskommission in der Metropolie kooperiert. Seit 2013 wurden in allen kirchlichen Einrichtungen Schutzkonzepte zur Prävention beschlossen und bis heute wurden fast 29.000 Schulungen für haupt- und ehrenamtlich Tätige durchgeführt. Darüber hinaus gibt es unter anderem in den Schulen speziell geschulte Beauftragte für die Prävention sexualisierter Gewalt.
Das Engagement geht weit über die Prävention hinaus und umfasst auch den regelmäßigen Austausch mit Betroffenen. Die Meldungen von Betroffenen werden zügig bearbeitet und an die unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids weitergeleitet. In den letzten drei Jahren hat das Bistum mehr als zwei Millionen Euro an Anerkennungsleistungen gezahlt. Außerdem sind umfassende Schritte zur transparenten Aufarbeitung gesetzt worden: Mit unabhängigen Gutachten werden alle bekannten Fälle sexuellen Missbrauchs im Bistum Hildesheim seit der Amtszeit von Bischof Janssen beleuchtet, es werden Aufarbeitungsveranstaltungen durchgeführt, eine Ombudsstelle aufgebaut und ein Verfahren zur Aufsicht beschuldigter Kleriker entwickelt.
Fakten zu Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim
Aufarbeitung
Die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und die Veröffentlichung damit zusammenhängender Untersuchungsergebnisse hat für das Bistum Hildesheim eine sehr hohe Priorität. Die Diözese hat in den Jahren 2017 und 2021 zwei umfangreiche Aufarbeitungsstudien veröffentlicht, die externe Fachleute im Auftrag der Diözese erstellt hatten. Zudem gab es in Bezug auf den Fall Georg M. einen Untersuchungsbericht durch einen Berufsrichter im Ruhestand, der 2021 veröffentlicht worden ist. Gegenwärtig erfolgt die Auswahl der Fachleute für die dritte Aufarbeitungsstudie, die sich mit sexualisierter Gewalt im Verantwortungsbereich des Bistums Hildesheim befassen und die Veröffentlichung von Zwischenberichten vorsehen wird.
Darüber hinaus verdeutlicht das Bistum Hildesheim seit 2023 mit einem Ampelsystem die Umsetzung der Empfehlungen für einen angemessenen Umgang mit Fällen von sexualisierter Gewalt, die sich aus den bisher erschienenen Aufarbeitungsstudien ergeben haben. Die bisher erschienenen Studien aus den Jahren 2017 und 2021 benannten insgesamt 87 Verbesserungsvorschläge. In den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün wird in einem entsprechenden Tätigkeitsbericht der Stabsabteilung markiert, wie weit die Diözese in der Umsetzung dieser Empfehlungen jeweils ist.
Prävention
Eine umfassend angelegte Präventionsarbeit dient im Bistum Hildesheim dazu, die Sensibilität aller Menschen in der Kirche deutlich zu erhöhen und bereits Anbahnungshandlungen zu unterbinden, die sexualisierter Gewalt in den allermeisten Fällen vorangehen.
In den vergangenen rund zwölf Jahren schulte die Kirche von Hildesheim ihre Priester, Lehrer, Gemeindereferentinnen und Pfarrsekretärinnen ebenso wie mehrere tausend Gläubige, die sich ehrenamtlich in Pfarrgemeinden, weiteren kirchlichen Einrichtungen und Verbänden engagieren. Auch die Caritas organisierte flächendeckend Schulungen für ihre Mitarbeitenden in Kitas, in der Altenpflege und in weiteren Arbeitsfeldern. Es wuchsen neue Beratungsangebote heran und vielfältige Ressourcen für den Schutz vor sexualisierter Gewalt. Dazu gehören ausgebildete Präventionsfachkräfte, die vor Ort wirken, indem sie etwa helfen, Schutzkonzepte in kirchlichen Einrichtungen einzuführen.
In regelmäßigen Abständen werden Präventionskurse wiederholt, Vertiefungsfortbildungen und weitere Bildungsangebote, die dazu dienen, eine Kultur der Achtsamkeit in den Einrichtungen der Kirche zu fördern und zu erhalten. In den Pfarrgemeinden sind institutionelle Schutzkonzepte eingeführt worden.
Intervention
Es gibt eine umfangreiche Verfahrensordnung, die das Vorgehen im Umgang mit Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt klar regelt und für alle Einrichtungen des Bistums Hildesheim gültig ist, die mit Kindern, Jugendlichen oder erwachsenen Schutzbefohlenen zu tun haben.
Betroffene können sich an die externen Ansprechpersonen für Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt in Bistum Hildesheim wenden, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zur Diözese stehen. Fallbezogen werden diese Ansprechpersonen in die Arbeit des Bischöflichen Beraterstabes in Fragen sexualisierter Gewalt eingebunden, um dort die Interessen der Betroffenen zu vertreten.
Liegt ein konkreter Verdachtsfall gegen einen Geistlichen vor, wird der Beschuldigte suspendiert. Außerdem wird eine Strafanzeige gestellt und eine kirchenrechtliche Voruntersuchung durchgeführt, mit der festgestellt werden soll, ob aufgrund der jeweiligen mutmaßlichen Tatbestandsmerkmale ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet werden kann.
Die härtesten kirchlichen Sanktionsmöglichkeiten sind die Entlassung aus dem Klerikerstand (Laisierung) sowie das Verbot, öffentlich Gottesdienste zu feiern und weitere pastorale Auflagen (darunter klare Distanz zu Kindern, Jugendlichen und / oder schutzbefohlenen Erwachsenen).