Evangelische und katholische Kirche unterzeichnen Vereinbarung für neues Schulfach Christliche Religion
Nach mehr als vierjähriger Vorbereitungszeit haben die fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen und die vier katholischen Bistümer am Donnerstag in der Neustädter Hof- und Stadtkirche, Hannover, eine Vereinbarung über die Einführung eines gemeinsam verantworteten Christlichen Religionsunterrichts unterzeichnet.
Das neue Unterrichtsfach „Christliche Religion nach evangelischen und katholischen Grundsätzen“ soll ab dem Schuljahr 2025/2026 schrittweise an allen Schulformen in Niedersachsen die Fächer Evangelische Religion und Katholische Religion ersetzen.
Im Vorfeld haben die Konferenz der niedersächsischen katholischen Bischöfe und die Synoden der evangelischen Kirchen in Niedersachsen sowie der Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen der Vereinbarung zugestimmt. Zum ersten Mal in Deutschland werden damit die evangelische und die katholische Kirche gemeinsam die Verantwortung für einen christlichen Religionsunterricht in Niedersachsen übernehmen.
Bischof Dr. Heiner Wilmer (Bistum Hildesheim) sagt: „Das neue Unterrichtsfach hat Pilotcharakter und wird einen wichtigen Beitrag zur religiösen Bildung von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen leisten. Fachleute der Kirchen haben in den vergangenen Jahren in ökumenischer Verbundenheit sehr sorgfältig zusammengearbeitet, um das neue Unterrichtsfach gut an den Start zu bringen. Ich freue mich über die Unterstützung der Landesregierung für dieses wegweisende Modell eines gemeinsam verantworteten Faches Christliche Religion.“
Bischof Thomas Adomeit (Oldenburg), Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen sagt: „Die heutige Unterzeichnung der Vereinbarung ist ein Schlüsselmoment bei der Einführung des christlichen Religionsunterrichts in Niedersachsen und ein Zeugnis gelebter Ökumene. Das neue Unterrichtsfach bringt die katholische und die evangelischen Kirchen näher zusammen, ohne das Eigene der jeweiligen Konfessionen zu verwischen. Dabei ist es für uns zentral, dass die anderen Konfessionen ebenso wie die anderen Religionen und Weltanschauungen im christlichen Religionsunterricht angemessen dargestellt und behandelt werden.“
Die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg sagt: „Ich begrüße die außerordentliche Kooperationsbereitschaft der Kirchen in Niedersachsen sehr und gratuliere zu dieser wegweisenden Vereinbarung. Ein gemeinsam verantworteter Christlicher Religionsunterricht ist ein – gerade in der aktuellen Zeit – wichtiges zeitgemäßes Zeichen für Dialog und Kooperation und bildet die Vielfalt in unserer Gesellschaft ab. Schülerinnen und Schüler können Pluralität und Heterogenität reflektieren sowie Respekt und Toleranz anderen gegenüber entwickeln. Das neue Fach Christliche Religion trägt zum notwendigen Diskurs der jungen Generation bei und stärkt demokratische Werte.“
Auf die Unterzeichnung der Vereinbarung folgen jetzt weitere Schritte, bevor das neue Fach in Niedersachsen flächendeckend eingeführt werden kann. Das Land Niedersachsen und die beteiligten Kirchen arbeiten aktuell an einer gemeinsamen Erklärung zu dem neuen Unterrichtsfach, die im Frühjahr 2025 unterschriftsreif sein soll.
Zwei vom Land beauftragte Kommissionen erstellen derzeit zudem neue Lehrpläne (sogenannte Kerncurricula) für die Grundschule und die weiterführenden Schulen bis Jahrgang 10. Ökumenische Arbeitsgruppen befassen sich mit der Konzeption von passgenauen Fortbildungen und überlegen, auf welche Art und Weise die Einführung des neuen Faches vor Ort gezielt durch die Bereitstellung von Unterrichtsmaterial unterstützt werden kann.
Auch die derzeit nicht beteiligten christlichen Konfessionen wie die orthodoxen Kirchen oder die Freikirchen sind in den Prozess einbezogen.
Die heute unterzeichnete Vereinbarung ist das Ergebnis eines mehrjährigen Beratungsprozesses. 2021 veröffentlichten die ökumenischen Schulreferentinnen und Schulreferenten der niedersächsischen Kirchen ein Positionspapier. Darin stellten sie erstmals die Idee eines gemeinsam verantworteten Religionsunterrichts vor. Es folgte ein umfangreicher Diskussions- und Beratungsprozess über die Zukunft des Religionsunterrichts in Niedersachsen. In intensiven Gesprächen und Beratungen mit dem Land Niedersachsen sowie mit theologischen, pädagogischen und juristischen Fachleuten konkretisierten die Kirchen die Überlegungen, deren Resultat die jetzt vorliegende Vereinbarung zwischen den Kirchen ist.
Hintergrund
In Niedersachsen haben im Schuljahr 2023/2024 insgesamt gut 536.000 Schülerinnen und Schüler evangelischen, katholischen oder konfessionell-kooperativen Religionsunterricht besucht. Knapp 239.000 Schülerinnen und Schüler nahmen dabei am konfessionell-kooperativen Religionsunterricht teil, 260.000 am evangelischen Religionsunterricht, 37.000 am katholischen Religionsunterricht. 218.000 Schülerinnen und Schüler entschieden sich für die Teilnahme an den Fächern Werte und Normen und Philosophie. Gut 34.000 nahmen weder am Religionsunterricht noch an Werte und Normen bzw. Philosophie teil.
Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die am christlichen Religionsunterricht teilnehmen, lag in Niedersachsen damit im Schuljahr 2023/2024 bei 66 Prozent. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die der evangelischen oder katholischen Kirche angehören, betrug 2023 rund 53 Prozent.
Wie bisher sind Schülerinnen und Schüler anderer Konfessionen oder Religionen sowie ohne Konfession eingeladen, auf eigenen Wunsch an dem neuen Unterrichtsfach teilzunehmen.