„Dennis, segne mich“: Warum ein Hildesheimer Papst Franziskus einen besonderen Segen spenden durfte
Franziskus hat als Papst unzählige Menschen gesegnet. Nach seinem Tod denkt ein Hildesheimer mit besonderer Dankbarkeit an vertauschte Rollen bei einer Begegnung vor anderthalb Jahren zurück. Da bat Franziskus den jungen Kaplan Dennis Giesa, ihn zu segnen – so kam es dazu.
Franziskus hat als Papst ungezählte Menschen gesegnet, zuletzt vor einigen Tagen beim traditionellen Ostersegen „Urbi et orbi“ – am Tag vor seinem Tod. Dankbar denkt ein Hildesheimer in diesen Tagen an ein besonderes Ereignis zurück, bei dem die Rollen anderthalb Jahre vorher vertauscht waren: Papst Franziskus bat Dennis Giesa auf dem Petersplatz darum, von dem damals 27-Jährigen gesegnet zu werden.
Es ist der 13. September 2023. Giesa ist mit einer 40-köpfigen Pilgergruppe in Rom zu Besuch. Einige Monate vorher, am Pfingstsamstag, wurde er im Hildesheimer Dom von Bischof Heiner Wilmer zum Priester geweiht. Er ist in Drispenstedt aufgewachsen, war dort in der Kirchengemeinde Mariä Lichtmess verwurzelt, machte das Abitur an der Marienschule und studierte anschließend Theologie – ein Jahr lang auch in Rom, an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Nun ist er Kaplan in Salzgitter und mit einer Gruppe aus den dortigen Gemeinden zurück in der ewigen Stadt. „Ich wollte mich für meinen bisherigen Weg bedanken“, erzählt er heute rückblickend. In Rom hat er Gelegenheit, einige Heilige Messen zu zelebrieren – auch in der Kirche Santa Maria Maggiore, in der der verstorbene Papst nun bestattet wird.
Tatsächlich in der ersten Reihe: „Damit hätte ich nie gerechnet“
Ein Höhepunkt soll natürlich der Besuch der wöchentlichen Generalaudienz des Papstes werden. Zu dem Anlass kommen immer Tausende von Menschen auf dem Petersplatz zusammen. Giesa weiß, dass zum Beispiel Brautpaare sich um einen Platz in der ersten Reihe bewerben können, um sich vom Papst segnen zu lassen. Vielleicht hätte er als Neupriester auch eine Chance? Giesa versucht es, bewirbt sich schon Monate vorher um eine Karte für einen Platz ganz vorn. Dann hört er vom Vatikan nichts mehr. Erst als er die bestellten Karten kurz vor der Audienz abholt, sieht er: Vier Karten sehen anders aus als die anderen für seine Gruppe – Giesa, seine Eltern und der Pfarrer der Kirchengemeinde in Salzgitter dürfen tatsächlich ganz vorn sitzen. „Damit hätte ich nie gerechnet“, sagt er.
Nach der Audienz wird Franziskus im Rollstuhl an den Gläubigen vorbeigeschoben, schon damals von Altersgebrechen gezeichnet. „Andere hatten kleine Geschenke für den Papst dabei“, erinnert sich der heute 28-Jährige. Der Hildesheimer hat nichts dabei – er hat ja überhaupt nicht damit gerechnet, Franziskus so nahe zu kommen. Also gibt er ihm ein Primizbild, das mit seinem Namen und einem Spruch an die erste Heilige Messe erinnert, die Giesa als Hauptzelebrant in Drispenstedt gehalten hat – die sogenannte Primiz eben. Er sei ein Neupriester aus Deutschland, sagt Giesa auf Italienisch. Der Papst schaut auf das Bild, blickt dann Giesa an und sagt: „Dennis, segne mich, segne mich.“
Banger Blick zu den Bodyguards
Sollte er wirklich? Der Kaplan blickt erst auf die Respekt einflößenden Bodyguards, die den Papst einrahmen, fragt auf Italienisch: „Darf ich?“. Er darf: Der Kaplan legt dem Papst auf dessen Bitte die Hände auf und spendet ihm den Primizsegen, der im ersten Jahr einer Priesterlaufbahn im Verständnis der katholischen Kirche mit besonderen Gnaden verbunden ist. Dann schüttelt Franziskus noch die Hände von Giesas Eltern, wird weitergeschoben, und der junge Kaplan fragt sich: Ist das jetzt wirklich passiert? „Der Moment war surreal“, sagt er später.
Mittlerweile hat der Hildesheimer die Kirchengemeinden in Salzgitter wieder verlassen. Er schreibt in Frankfurt an seiner Doktorarbeit. Vor einigen Wochen war er noch einmal in Rom, diesmal allein. Bei dem Besuch erlebte er noch auf einem Bildschirm vor dem Petersdom mit, wie Franziskus sich das erste Mal seit Wochen im Krankenhaus zeigte.
Die Nachricht von seinem Tod erreichte Giesa am Ostermontag, kurz bevor er selbst eine Messe zelebrierte. In die Trauer mischt sich für den Kaplan nun auch das Gefühl, dass der Tod für den geschwächten Franziskus wohl auch eine Erlösung war. „Und das zu Ostern, dem Fest der Auferstehung“, sagt er, „da schließt sich ein Kreis.“
Thomas Wedig (Hildesheimer Allgemeine Zeitung)